Durch die VR-Brille sieht man die Welt aus den Augen einer Kuh
Es ist eine Mär, dass Kühe oder Stiere auf rote Tücher reagieren. Früher waren die Tücher der Toreros sogar weiß, wurden aber der Farbe des Blutes der Stiere angepasst. Kühe haben nämlich eine Rot-Grün-Schwäche. Überzeugen kann man sich davon bei einem Besuch eines Kurses der Tierhaltungsschule Triesdorf. Denn die Rinderhaltung nutzt seit einem Jahr eine VR-Kuhbrille, die dem Träger seine Umwelt aus den Augen einer Kuh sehen lässt. „Kühe haben ein deutlich weiteres Sichtfeld von 330 Grad, aber direkt vor sich eine verringerte Sehschärfe von 30% und eine geringe Kontrastauflösung“, erklärt Boris Lehmann, Fachlehrer der Tierhaltungsschule.
Die Brille wird in der überbetrieblichen Ausbildung eingesetzt. „In Coronazeiten kann natürlich nur ein auserwählter Schüler die Brille tragen, es besteht aber eine Verbindung zu einem Monitor, auf dem die anderen Kursteilnehmer dem Kuhblick folgen können. Dadurch fehlt vielen leider das reale Erlebnis, das vor Corona natürlich selbstverständlich für alle möglich war“.
Tierwohl steht im Vordergrund
Die Brille dient dem Tierschutz, damit der Landwirt versteht, was seine Kuh sehen kann und was nicht. Boris Lehmann hat auch eigene Beobachtungen: „Man stellt fest, dass Kühe an gewissen Positionen im Stall stehen bleiben, direkt ruckartig, wenn sie von einem hellen Bereich in einen dunklen kommen“. Somit zeigt die Brille dem Träger, „wie die Umgebung im Stall wahrgenommen wird, wie der Landwirt also selbst wahrgenommen wird oder fremde Personen im Stall“.
Von den Landwirten kommen nur positive Rückmeldungen. „Sie lernen mit Kühen richtig umzugehen, vielleicht auch Geduld aufzubringen, weil Kühe manches nicht sehen können“. Ziel sei es, sich in eine Kuh reinzudenken, um anders an das Tier ranzugehen. „Der tote Winkel ist genau hinter einer Kuh, wenn man sich ihr von hinten nähert, erschrickt sie oder reagiert nicht, weil sie nicht weiß, was zu tun ist. Also versucht man sich von der Seite zu nähern, jedoch wird man nicht scharf wahrgenommen. Zudem muss ich mich langsam einem Tier nähern, denn Kühe sehen wahrnehmungsverzögert“.
Verschiedene Effekte
Um den Eindruck zu verbessern, bietet die VR-Brille die Möglichkeit, Effekte wie Kontrast oder Farbe einfach aus- oder wieder einzuschalten, damit dem Landwirt die Unterschiede wirklich simuliert werden. Aber das ist noch nicht alles: Angedacht ist für die Zukunft, ein Video mit der Brille zu drehen, um den Weg der Kuh im Stall nachzuempfinden: „Wie sehen Kühe den Melkroboter, die Kraftfutterstation oder den Klauenpflegeraum. Das Video kann man zukünftig im Kurs aber auch bei Onlinemeetings einsetzen“.